Nach islamischem Verständnis hat der eine wahre Gott, Allah, sein Wort dem Propheten Mohammed in arabischer Sprache offenbart. Möglicherweise war Mohammed zunächst der Meinung, er habe lediglich seinen Landsleuten ein heiliges Buch in klarer arabischer Sprache zu bringen (vgl. dazu Sure 42,7) – so wie Juden und Christen schon heilige Bücher in ihren Sprachen besaßen (vgl. Sure 46,12). Später äußerte er aber die Überzeugung, ein Gesandter für die gesamte Menschheit zu sein (Sure 34,28). Nach muslimischer Vorstellung ist der Koran die wörtliche Wiedergabe einer im Himmel aufbewahrten Urschrift (umm al-kitab: „Mutter des Buches“). Schon diese Urschrift sei in arabischer Sprache verfasst und mit arabischen Buchstaben geschrieben.

Arabisch – die Sprache Gottes

Angesichts der zentralen Bedeutung des Koran für die Muslime wird verständlich, dass auch der arabischen Sprache im Islam eine große Bedeutung zukommt. Arabisch kann als die Sprache Gottes bezeichnet werden. Das rituelle Gebet ist in Arabisch zu sprechen. Persönliche Bittgebete können aber auch in der Muttersprache an Gott gerichtet werden. Koranrezitationen werden in Arabisch vorgetragen. Auch das persönliche Lesen von Korantexten geschieht in Arabisch. Übersetzungen gelten nicht als der Koran, sondern geben nur seine ungefähre Bedeutung wieder. Deshalb lernen Kinder in der Koranschule, den Koran in Arabisch zu lesen (evtl. mit Hilfe einer Umschrift als Notlösung) und auswendig aufzusagen. Muslime, die nicht Arabisch als Muttersprache haben, verstehen oft nicht viel von dem, was sie lesen, und wissen nur ungefähr, was sie beten. Dieser Mangel kann bewirken, dass die rituelle Glaubenspraxis als sehr stark vom Alltag abgehoben empfunden wird, je nach persönlicher Prägung teils als besonders „feierlich“, teils als leer und ohne innere Beteiligung. Muslime, deren Muttersprache Arabisch ist oder die Arabisch gelernt haben, sprechen in der Regel mit großer Faszination von der Schönheit dieser Sprache und besonders von der unnachahmlichen Erhabenheit des Koran. Wer sich intensiver mit dem Islam befassen will ob als Muslim oder Religionswissenschaftler, muss Arabisch lernen. Die wichtigsten Quellentexte, Koran und Hadithen, sind in Arabisch geschrieben. Die meisten Korankommentare wurden in Arabisch verfasst. Arabisch ist auch die Sprache des islamischen Rechts.

Arabisch = islamisch?

Die Tatsache, dass die arabische Sprache und der Islam eng miteinander verbunden sind, führt oft zu einer verzerrten Wahrnehmung: Die Begriffe „Araber“ und „Muslime“ werden gelegentlich so gebraucht, als ob sie austauschbar seien. Es ist aber wichtig, festzuhalten, a) längst nicht alle Araber sind Muslime, sondern auch viele Christen leben in den arabischen Staaten – und b) der größte Teil der Muslime sind nicht Araber. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, die arabische Bezeichnung für „Gott“, Allah, wird auch in der arabischen Bibelübersetzung gebraucht und somit ist Allah keineswegs eindeutig festgelegt als der islamische Gottesname. Arabische Christen sprechen den Vater unseres Herrn Jesus Christus ebenfalls mit „Allah“ an.

Arabisch und die islamische Gemeinschaft

Der Gebrauch der arabischen Sprache beim Vollzug der religiösen Riten (Bekenntnis, Gebet, Pilgerfahrt) ist eines der Mittel, die Einheit der islamischen Gemeinschaft (Umma) zu dokumentieren. Grundsätzlich könnte z. B. jeder Muslim an jedem Ort, soweit er auch von seiner Heimat entfernt sei, ohne Schwierigkeiten am Gebet in der Moschee teilnehmen.  Auf der religiösen Ebene (sehr deutlich auch bei der Pilgerfahrt) wird – unter anderem durch das Mittel der Sprache – etwas sichtbar vom Anspruch der islamischen Gemeinschaft, keine Unterschiede nach Rasse oder Nationalität zu kennen. Dies wird jedoch dadurch erreicht, dass eine Sprache für alle verbindlich zur heiligen Sprache erklärt wird. In anderen Bereichen gibt es allerdings sehr wohl nationale Vorurteile. Die arabische Sprache hat die Kultur der verschiedenen islamischen Bevölkerungsgruppen sehr stark beeinflusst: Viele arabische Worte, vor allem religiöse Begriffe und Formeln haben in die jeweiligen Sprachen Eingang gefunden. Einige islamische Völker haben sogar die arabische Schrift übernommen, um ihre Sprache aufzuzeichnen (z. B. Persisch, Urdu und bis 1923 Osmanisch-Türkisch). – Die Reinigung der türkischen Sprache von arabischen Lehnworten und die Übernahme der lateinischen Schrift unter Atatürk stellen auch einen Versuch dar, sich von der kulturellen Vorherrschaft des Arabischen zu lösen. Über die Sprache und die Verkündigung des Islam sind auch verschiedene andere Elemente der arabischen Kultur, wie sie zu Mohammeds Zeit auf der arabischen Halbinsel bestand, in andere Völker eingedrungen.

Einheit

Im Islam wird der eine Gott bezeugt, der in dem einen, unübersetzbaren Buch, das nur in der einen Sprache weitergegeben werden darf, sein Wort offenbart hat. Der Schwerpunkt in dieser Offenbarung liegt mehr auf der unverfälschten Bewahrung und Weitergabe des göttlichen Textes als auf seiner Verständlichkeit. Auch wenn viele Muslime, sogar Arabisch sprechende, große Schwierigkeiten haben, den Koran zu verstehen, gelten Übersetzungen, die ihn verständlich machen könnten, als relativ wertlos. In Gesprächen rückten einige Muslime die Tatsache, dass es viele verschiedene Bibelübersetzungen gibt, schon in die Nähe der Bibel-Verfälschung. Dem gegenüber ist es höchst interessant festzustellen, eine der ersten Auswirkungen des an Pfingsten ausgegossenen Heiligen Geistes bestand darin, Menschen aus unterschiedlichen Gegenden hörten, wie die Apostel in ihren Sprachen von den großen Taten Gottes redeten (Apg 2,11). Gott will offensichtlich nicht nur in einer Sprache zu den Menschen reden, sondern sich ihnen in ihrer Sprache, Kultur und Zeit zuwenden. Deshalb hat sich auch Paulus bemüht, allen alles zu werden (1. Kor 9,19-22). Es ist ein Weg, Einheit herzustellen durch einheitliche Sprache, einheitliche Riten und ein einheitliches Gesetz. Auch in der Kirchengeschichte fehlt es nicht an solchen Versuchen. Das Neue Testament spricht demgegenüber von einer „Einheit des Geistes“ (Eph 4,3), die in Gott selber und in Seiner Erlösungstat ihre Grundlage hat und in die Menschen mit hinein genommen werden durch den Glauben an Jesus Christus. Durch die Wiedergeburt werden Menschen mit dem Heiligen Geist beschenkt und eingefügt in den „Leib Christi“. So sind sie trotz aller Unterschiede in Herkunft, Sprache und kultureller Prägung lebendige Zellen eines einheitlichen geistlichen Organismus.

 

Orientierung 2005-03; 15.06.2005

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