Der Koran schreibt keine Beschneidung vor. Trotzdem ist in der ganzen islamischen Welt die Bescheidung für Jungen (das Entfernen der Vorhaut am männlichen Glied) verpflichtend. Woher kommt das? In den Traditionen (Hadith) finden sich bei Sahih Al-Buchari die Worte:

Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: „Zur Schöpfung (Fitra) gehören fünf Dinge: Die Beschneidung, das Abrasieren der Schamhaare, das Kurzschneiden des Schnurrbarts, das Schneiden der (Finger- und Fuß-) Nägel und das Auszupfen der Achselhaare“ (Hadith Nr. 5890). Weil Muslime Mohammed zum Vorbild nehmen sollen (Sure 33,21; 59,7; 4,59), gehört die Beschneidung zum Islam.

Zum Beispiel werden unbeschnittene Türken und Pakistanis in ihren Ländern als schmutzig angesehen und verfolgt. Wenn es sich beim Waschen einer Leiche herausstellt, dass der Verstorbene nicht beschnitten war, gibt es immer wieder empörte Zeitungsberichte in der Türkei. Religiöse türkische Parteien sponsern Massenbeschneidungen von Jungen in ärmeren Stadtvierteln türkischer Großstädte als eine Art gutes Werk. Muslimische Frauen in der Türkei finden die Vorstellung, mit einem unbeschnittenen Mann sexuellen Verkehr zu haben, Ekel erregend.

War Mohammed beschnitten?

Dazu gibt es drei verschiedene Haltungen unter islamischen Gelehrten: 1. Er war bereits ohne Vorhaut geboren. 2. Der Engel Gabriel hat ihn beschnitten, als er ihm die Brust öffnete. 3. Sein Großvater ‚Abd al-Muttaalib beschnitt ihn nach alter arabischer Tradition. Moderne islamische Theologen nehmen eher die dritte Option an, doch letzte Gewissheit gibt es bei dieser Frage nicht.

Beschneidung bei Jungen

Manche Muslime zitieren Sure 2,138 als Begründung für die Beschneidung: „… Nehmt an das Kennzeichen (wörtlich Salbung, Färbung, Farbzeichen) Gottes. Und wer hat ein schöneres Kennzeichen als Gott?“ (Khoury). Es ist sehr zweifelhaft, ob hier die Beschneidung gemeint ist. In der Hadith-Sammlung von Abu Dawud (Buch 41, Nr. 5251) heißt es: „Eine Frau betätigte sich als Beschneiderin in Medina. Der Prophet sagte zu ihr: „Schneide nicht zu stark, das ist besser für die Frau und mehr wünschenswert für einen Ehemann.“ Andere Stellen besagen: „gültiger Geschlechtsverkehr tritt dann ein, wenn die beschnittenen Geschlechtsteile sich berühren“ (Sahih Muslim, Buch 003, Nr. 0684). „Wenn die beschnittenen Geschlechtsteile sich berühren, ist die rituelle Ganzkörperwaschung zwingende Pflicht.“ (ebd. Buch 2, Nr. 2.19.73; ebenso 74; 75). „Was die islamische Pilgerfahrt Hadsch oder Umra (kleine Wallfahrt) ungültig macht und dazu führt, ein Tier opfern zu müssen und die Hadsch zu wiederholen ist, wenn zwei beschnittene Geschlechtsteile sich berühren, auch wenn es zu keinem Samenerguss kommt.“ (ebd. Buch 20; 20.46.161). Die Beschneidung beider Geschlechter wurde also vorausgesetzt (die Gültigkeit mancher Hadith-Aussprüche ist aber umstritten, da es starke, mittlere und schwächere Überlieferungsstränge gibt). Neben Aufforderungen in den Hadith-Sammlungen, die Beschneidung durchzuführen, werden oft hygienische Argumente für eine Beschneidung herangezogen. Das mag besonders in Zeiten sinnvoll gewesen sein, in denen es kaum Wasser und nur mangelhafte Hygiene gab. – Nach der Beschneidung von Jungen, meist im Alter zwischen sieben und zehn Jahren, sind diese Teil der Männergesellschaft und müssen die religiösen Pflichten lernen und einhalten. Heute werden Konvertiten zum Islam teilweise nicht mehr gedrängt, sich beschneiden zu lassen, um Hindernisse für eine Konversion abzubauen. Das kann sich aber schnell wieder ändern.

Beschneidung bei Mädchen

Besonders in Nordafrika ist die Beschneidung von Mädchen weit verbreitet. Diese barbarische Tradition geht auf eine Zeit vor dem Islam zurück. In Ägypten soll sie bereits zur Zeit der Pharaonen praktiziert worden sein. Heute lassen Anhänger verschiedener Religionen ihre Mädchen in Nordafrika, besonders in Ägypten beschneiden, darunter auch manche christliche Gruppen. Bei der Beschneidung werden die Schamlippen, in manchen Fällen auch die Klitoris teilweise oder ganz entfernt. Manchmal wird die Scheidenöffnung bis auf eine kleine Öffnung vernäht. Dies geschieht meist im Alter von fünf bis zehn Jahren. Einige der Mädchen sterben aufgrund schlechter hygienischer Bedingungen. Lebenslange Schmerzen und seelische Verletzungen sind häufig. Trotzdem verlangen viele dieser geschädigten Frauen die Beschneidung für ihre eigenen Töchter. Ein Grund ist die Angst, dass sie sonst keinen Ehemann finden könnten. In einem Lehrbuch für schafiitische (eine der vier anerkannten islamischen Rechtsschulen) Muslime (The Classic Manual of Islamic Sacred Law ‚Umdat al-Salik by Ahmad ibn Naqib al-Misri, 1368 n.Chr.) liest man: „Beschneidung ist Pflicht (die Vorhaut der Männer und die Klitorisvorhaut (wahrscheinlicher: die Klitoris selbst) bei Frauen).“ Dagegen ist nach hanbalitischer Lehre die Beschneidung der Frau zwar nicht Pflicht, aber doch nachahmenswert, während die hanafitische Lehre die Beschneidung einer Frau nur noch als Entgegenkommen für den Ehemann bewertet.

Beurteilung aus christlicher Sicht

Wie sollen Christen die Beschneidung einschätzen? Ist sie nicht Vorschrift in der Bibel? Die Praxis der Mädchenbeschneidung wird in der Bibel nirgends erwähnt und ist aus christlicher Sicht eine Tradition, die es dringend zu überwinden gilt. Die Beschneidung am 8. Tag nach der Geburt wurde in 1. Mose 17,11-12 als Bundeszeichen zwischen Gott und Abraham und seinen männlichen Nachkommen eingeführt. Dieses Zeichen sollte die Juden an die Notwendigkeit erinnern, ihre Herzen zu beschneiden: „So beschneidet denn die Vorhaut eures Herzens und verhärtet euren Nacken nicht mehr!“ (5. Mose 10,16; s.a. Jeremia 4,4) Es ging Gott bei der Beschneidung immer um die Herzensbeschneidung. Die Beschneidung am Körper war nur ein Zeichen dafür (Röm 2,26-29). Mit dem Neuen Bund in Jesus Christus wurde ein neues Bundeszeichen eingeführt: die Taufe (Mt 28,19). Doch auch beim neuen Gottesvolk, den Christen, geht es um die innere Reinheit, die Reinigung des Herzens (Kol 3,5-10). Das alte Bundeszeichen der Beschneidung wurde in Christus erfüllt, und jeder Christ ist in geistlicher Sicht beschnitten durch Christus: „weil ihr ihm gehört, seid ihr auch beschnitten, aber nicht durch einen äußeren Eingriff. Eure Beschneidung kam durch Christus und besteht im Ablegen eures alten egoistischen Wesens.“ (Kol 2,11) Deshalb ist die äußerliche Beschneidung auch nicht mehr nötig. Im Gegenteil: Paulus warnt sogar Menschen, die als „Unbeschnittene“ zum Glauben an Jesus Christus kamen, davor, das äußere Zeichen der Beschneidung als Teil der jüdischen Werkgerechtigkeit wieder neu einzuführen. „Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch nichts nützen wird. Jeder, der sich beschneiden lässt, verpflichtet sich damit, das ganze Gesetz zu befolgen.“ (Gal 5,2-3) – Entsprechend warnt Paulus vor den Lehrern, welche die Beschneidung wieder fordern (Gal 6,12-15; Phil 3,5; Apg 15,5-6; Apg 21,21-22). Die körperliche Beschneidung war für die leiblichen Nachfahren Abrahams bestimmt. Dabei ist zu bedenken: Abraham war schon von Gott angenommen, bevor er die Beschneidung erhielt! Damit ist er der Vater der Beschnittenen (Juden) und der Unbeschnittenen (Heidenchristen, die durch Christus zu Kindern Gottes werden). Paulus gibt uns abschließend den Rat, in dem Zustand zu bleiben, in dem Gott einen Menschen zum christlichen Glauben gerufen hat, egal ob beschnitten oder unbeschnitten (1. Kor 7,17-20). Also ist die Beschneidung weder ein Vorteil noch ein Hindernis für den Glauben an Christus.

 

Orientierung 2011-03; 01.07.2011

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