Ähnlich wie im Alten und Neuen Testament spielt im Koran der Gedanke der „Umkehr“ eine wichtige Rolle. Menschen schlagen verkehrte Wege ein und werden aufgefordert, ihre Richtung zu ändern. Generell wird dabei im Koran die Freiheit und Fähigkeit des Menschen umzukehren vorausgesetzt. Im Arabischen wird für diese Thematik vor allem eine Wortgruppe verwendet, die aus einer Wurzel mit den drei Konsonanten t-w-b abgeleitet wird. Das Substantiv, „tauba“ (manchmal auch „tawbah“ geschrieben; türk. „tövbe“), bedeutet: Buße, Umkehr, Reue. Die Bedeutung des Verbs wird angegeben mit: „bereuen, Reue empfinden; Buße tun; sich von etwas abwenden; sich bekehren“; die Grundbedeutung ist wohl: „umkehren“. Dieses Verb kann auch Gott als Subjekt haben und bedeutet dann: „wieder seine Gnade zuwenden, verzeihen“. In Sure 4,16-18 kommt diese Wortwurzel in verschiedenen Abwandlungen vor: „Und wenn zwei von euch (Männern) es <d. h. etwas Abscheuliches – s. V. 15> begehen, dann züchtigt sie …! Wenn sie (daraufhin) umkehren und sich bessern, dann wendet euch von ihnen ab (und setzt ihnen nicht weiter zu)! Gott ist gnädig <wörtlich: oft umkehrend> und barmherzig. Nur diejenigen haben bei Gott Vergebung <w.: Umkehr> zu erwarten, die in Unwissenheit Böses tun und hierauf beizeiten umkehren. Diesen wendet sich Gott (gnädig) wieder zu. … Diejenigen aber haben keine Vergebung <w.: Umkehr> zu erwarten, die schlechte Taten begehen (und darin verharren), so dass einer erst, wenn er zum Sterben kommt, sagt: ‚Jetzt kehre ich um’.“ (Koranzitate hier und im Folgenden nach der Übersetzung von Rudi Paret; Hervorhebungen: Autor)

Um was es bei der Buße geht, wird beschrieben in Sure 3,135f: „Diejenigen, die, wenn sie etwas Abscheuliches getan oder (durch sündigen Lebenswandel) gegen sich selber gefrevelt haben, Gottes gedenken und (ihn) um Vergebung für ihre Schuld bitten – und wer könnte … Schuld vergeben, außer Gott? – und (die) in dem, was sie (an Sünde) getan haben, nicht beharren, wo sie doch wissen (dass es Sünde ist), deren Lohn besteht in Vergebung von ihrem Herrn und in Gärten, in deren Niederungen … Bäche fließen …“ (Hervorhebungen: Autor)

Der Appell zur Umkehr richtet sich im Koran an unterschiedliche Gruppen von Menschen. Hier seien nur einige Beispiele genannt:

An Gottlose und Übeltäter

Umkehr ist natürlich nötig bei menschlichem Fehlverhalten. Wer Böses tut, z. B. neben Gott andere Götter anbetet und Unzucht begeht, dem wird schlimme Strafe angedroht – „ausgenommen diejenigen, die umkehren und rechtschaffen handeln. Denen wird Gott (bei der Abrechnung) ihre schlechten Taten gegen gute eintauschen. Er ist barmherzig und bereit zu vergeben. Wenn einer umkehrt und rechtschaffen handelt, wendet er sich bußfertig Gott wieder zu.“ (Sure 25,70f) – In Sure 5,38-40 wird konkret beschrieben, wie Mohammed und in seiner Nachfolge die islamische Gemeinschaft mit einem Dieb verfahren soll: „Wenn ein Mann oder eine Frau einen Diebstahl begangen hat, dann haut ihnen die Hand ab! … Wenn aber einer, nachdem er gefrevelt hat, umkehrt und sich bessert, wendet Gott sich ihm (gnädig) wieder zu. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben. Weißt du denn nicht, dass Gott die Herrschaft über Himmel und Erde hat, und dass er bestraft, wen er will, und vergibt, wem er will?“

An die Söhne Israels

In Sure 20,81 wird erzählt, wie Gott die Söhne Israel vor Seinem Zorn warnte. Darauf folgt jedoch die Zusage: „Aber dem, der (nachträglich) umkehrt und glaubt und tut was recht ist, und sich hierauf rechtleiten lässt, bin ich (immer) bereit zu vergeben.“ (20,82) – „Umkehr“ bedeutet hier letztlich die Zuwendung zum Islam (Annahme der Rechtleitung durch den Koran).

An Christen

Auch Christen werden z. B. wegen ihres „Irrglaubens“ zur Umkehr aufgefordert (Sure 5,72-74): „Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ‚Gott ist Christus, der Sohn der Maria.‘ … Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ,Gott ist einer von dreien.‘ … Wollen sie sich denn nicht (reumütig) Gott wieder zuwenden und ihn um Vergebung bitten? Gott ist (ja) barmherzig und bereit zu vergeben.“

An Gegner des Islam

Sogar für Leute, die den Islam aktiv bekämpfen, soll es noch ein Chance zu (rechtzeitiger) Umkehr geben (Sure 5,33+34): „Der Lohn derer, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und (überall) im Land eifrig auf Unheil bedacht sind, soll darin bestehen, dass sie umgebracht oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen wechselweise (rechts und links) Hand und Fuß abgehauen wird oder dass sie des Landes verwiesen werden. … – Ausgenommen diejenigen, die umkehren, (noch) bevor ihr Gewalt über sie habt. Ihr müsst wissen, dass Gott barmherzig ist und bereit zu vergeben.“

An Apostaten (vom Islam Abgefallene)

Eine männliche Person, die Muslim war und vom Islam abfällt, muss nach dem Urteil der traditionellen islamischen Rechtsschulen mit dem Tod bestraft werden. In der Regel soll so jemandem eine Frist von drei Tagen eingeräumt werden, um zum Islam zurückzukehren. Im Übrigen heißt es (3,90): „Diejenigen (aber), die ungläubig geworden sind, nachdem sie gläubig waren, und hierauf dem Unglauben immer mehr verfallen, deren (verspätete) Buße wird nicht angenommen werden. Das sind die, die (endgültig) irregehen.“

An Gläubige

Aber auch von den Gläubigen wird Umkehr und Bußfertigkeit erwartet. Ein Abschnitt über Bekleidungsvorschriften endet in Sure 24,31 mit der allgemeinen Ermahnung: „Und wendet euch allesamt (reumütig) wieder Gott zu, ihr Gläubigen! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergehen.“ Denn: „nur wer bußfertig ist, lässt sich mahnen.“ (40,13) Denjenigen, die umgekehrt sind, wird geraten (11,112): „Halte nun geraden Kurs, wie dir befohlen worden ist, (du) und diejenigen, die mit dir umgekehrt sind (und Buße getan haben)! Und seid nicht aufsässig! Er durchschaut wohl, was ihr tut.“  Über die inneren Vorgänge, die Tiefe der Reue und Zerknirschung oder das befreite Gewissen, wird im Koran wenig gesagt. Die Buße soll aufrichtig sein (66,8). – In Sure 9, 118 wird von drei Männern erzählt, die ein nicht genauer beschriebenes Verhalten nachträglich bereuten, „bis ihnen angst und bange wurde und es ihnen das Herz zuschnürte … und sie meinten, dass es vor Gott keine Zuflucht gebe, außer (eben) zu ihm. Hierauf wandte er sich ihnen (gnädig) wieder zu, damit sie (auch ihrerseits) umkehren (und Buße tun) würden. Gott ist der Gnädige und Barmherzige.“ – Es ist auch wenig gesagt über das Bekennen der Schuld (Beichte) vor einem anderen Menschen (vgl. Jak. 5,16). Umkehr erscheint im Wesentlichen als eine persönliche Angelegenheit des Einzelnen vor Gott.

Gottes Antworten auf Umkehr

Gott ist bereit zu vergeben (dazu s. o. Sure 25,70f). Gott führt die Bußfertigen auf den richtigen Weg (42,13): „Gott … führt dazu (auf den rechten Weg), wer sich (ihm bußfertig) zuwendet.“ Er nimmt die Buße seiner Diener an, erhört sie und beschenkt sie mit seiner Huld (42,25f). Die Frage, wie es mit Gottes Gerechtigkeit vereinbar sei, die Umkehr eines Menschen anzunehmen, ohne eine Wiedergutmachung für die Schuld zu fordern, taucht unserer Beobachtung nach nicht auf. Es wird nur betont, „dass Gott die Herrschaft über Himmel und Erde hat, und dass er bestraft, wen er will, und vergibt, wem er will“ (s. o. 5,40).

Sure 49, 11: „… Diejenigen, die nicht umkehren (und Buße tun), sind die (wahren) Frevler.“

 

Orientierung 2007-02; 15.04.2007

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