In jeder Kultur werden Ablehnung und Annahme unterschiedlich ausgedrückt und praktiziert. Auch um Ablehnung zu überwinden, gibt es jeweils eigene Ansätze

Im Türkischen gibt es z. B. den Begriff: „küsmek“. Das heißt übersetzt: „jemandem gegenüber Groll hegen, böse sein“.

Manchmal wundert man sich über Barrieren innerhalb von Freundschaften und Familien. Oftmals ist dieser Groll, der sich an einer Sache oder einem Verhalten entzündet hat, die Ursache. Wenn ein Sohn sich dem Vater gegenüber nicht richtig verhält, ihm nicht mit Ehrerbietung gegenüber tritt, kann dieses Verhalten zu seiner völligen Verstoßung führen. Eine Bitte um finanzielle Hilfe, die abgelehnt wird, kann der Anlass für eine völlige Kündigung der Freundschaft oder Verwandtschaftsbeziehung werden. Eine Frau, die den Erfolg ihrer Freundin mit ansehen muss, wird durch Eifersucht dazu gebracht, dieser zu schmollen und sie abzulehnen. Das kann dann soweit gehen, dass jemand eine andere Person völlig aus seinem Leben streicht und nie wieder sieht.

Doch in der türkischen Kultur bieten sich mehrere Möglichkeiten, dieses ablehnende „küsmek“ zu überwinden. Nachdem einige Zeit vergangen ist, kann die eine Partei die andere besuchen, um zu sehen, ob „die Luft wieder rein“ ist. Dabei wird oftmals das Problem überhaupt nicht angesprochen. Am Verhalten des anderen wird klar, ob er einem vergeben hat. Es geht darum, dass der jeweils andere das Gesicht nicht verliert. Wenn das gewährleistet ist, ist das sozusagen die „halbe Miete“. Das kann insbesondere an islamischen Feiertagen geschehen. Zu diesen Zeitpunkten erwartet man ein Lebenszeichen von Verwandten oder Freunden. Auch der Gruß zum Jahreswechsel mit einer Postkarte ist üblich. Besuche unter Verwandten während der Feiertage des Opferfestes oder des Fastenbrechens gehören zum Anstand. Ebenso bietet ein Wiedersehen bei Hochzeiten, Beschneidungsfeiern oder Beerdigungen eine Gelegenheit, „küsmek“ zu überwinden.

Ein ganz anderer Weg der Versöhnung ist der durch Vermittler. Diese bemühen sich, beide verfeindeten Parteien wieder zusammen zu bringen. Dabei ist es nach allgemein üblicher islamischer Auffassung auch erlaubt zu lügen. So kann es sein, dass beide voneinander nichts mehr wissen möchten. Aber der Vermittler, der von beiden Seiten anerkannt sein muss, sagt beiden Parteien, die andere Seite möchte sich von Herzen versöhnen. Das gleiche gilt für Ehepartner oder Freunde, die sich auseinander gelebt haben und versöhnt werden sollen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, der ablehnenden Partei Geschenke zukommen zu lassen, um diese willig zu stimmen. Eine Geldsumme oder ein Versprechen kann Herzen bewegen, vom Groll zu lassen.

Orientierung 2011-01; 01.02.2011