Der Geist und die Flasche – eine Begegnung in Ägypten

Im Dezember 2015 reiste ich für eine Woche ans Rote Meer. Vor meiner Abreise nach Ägypten hatte ich einige Heftchen «Echtes Gold» auf Arabisch bestellt. Es enthält thematisch geordnete Bibelverse in winzigem goldfarbenen Format; man kann sie gut mit Humor weitergeben. Mit Faruk*, dem jungen Service-Leiter, entwickelte sich eine schöne Unterhaltung, und ich bat ihn, mir einige Verse daraus zu übersetzen, auch weil ich selber wissen wollte, welche genau dort standen. Die Worte sprachen ihn sehr an und schon bald befanden wir uns in einem umfassenden Gespräch über die Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam. „Warum bist du Christ und nicht Muslim?“ fragte er schließlich. – „Weil ich weiß, dass Gott an meiner Seite ist. Dafür hat er Jesus gesandt.“ Das hinterließ ihn etwas ratlos, und ich merkte, dass ihn die Sache mit der Dreieinigkeit verwirrte. – Das Tischgedeck neben uns kam mir zur Hilfe. Kurz vorher hatte ich drei Servietten hingelegt für die drei Religionen. „Gott ist wie eine große Wolke weit oben: sehr erhaben und mächtig, aber auch sehr weit weg, nicht wahr? Von unten schauen wir hinauf, wir staunen und fürchten und verehren dieses Große, aber wir werden es nie erreichen.“ Dem stimmte er unumwunden zu. Auf die mittlere Serviette, die den christlichen Glauben symbolisierte, stellte ich nun eine Wasserflasche.  „Dieser Gott ist zu uns heruntergekommen. Er ist greifbar geworden, weil er will, dass wir einen Gewinn haben von seinem vielen Wasser.“ Faruk lachte mich an. „Jesus ist dieses Lebenswasser von Gott. Naja, und vom Wasser hat man nur dann etwas, wenn man es auch trinkt. Diese Erfrischung selber zu erfahren, das ist der Heilige Geist, die Kraft von Gott für einen selber.“ Ich merkte, dass bei ihm mehr als ein Groschen gefallen war. Seine Augen zeigten es. Ich ermutigte ihn, das Heftchen zu Ende zu lesen und mir tags darauf seine ehrliche Meinung darüber zu sagen. Das machte er dann auch und zeigte sich begeistert. Ob es für Christen sei oder für Muslime, wollte er wissen. „Für beide, das ist für beide gut“, sagte ich. Ich gab ihm also mein restliches Dutzend, das er daheim in Luxor verteilen wollte.

*(Name geändert)

von L.M.

 

Orientierung 2016-02; 01.07.2016
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