Was erwarte ich von einer deutschen Gemeinde?

Ich freue mich sehr, zu diesem wichtigen Thema zu schreiben, da ich selbst als Fremder Erfahrungen in verschiedenen Ländern gemacht habe. Bei diesem interessanten Thema möchte ich mich nicht nur auf meine eigene Erfahrung beschränken. Deshalb habe ich mir die Geschichten von einigen nicht-deutschen Freunden erzählen lassen.

Jemand sagte, wir erwarten von den Gemeindemitgliedern, dass sie wahrnehmen, wenn zum ersten Mal Fremde kommen. Leider bemerken
einige es nicht, oder sie haben beschlossen, ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Es scheint für sie nicht so wichtig zu sein, wer schon mal da war und wer zum ersten Mal kommt. Vielleicht haben sie in ihrem Routineprogramm keinen Platz, der der Begrüßung von Neuankömmlingen gewidmet ist. In anderen Gemeinden macht man sich viele Gedanken, wie man neue Mitglieder gewinnen kann. Mit Gebet bereiten sie dazu Strategien und Pläne vor. Sie überlegen sogar, die Lieder, die sie in der Kirche singen, zu übersetzen.

Eine andere Person sagte, dass sie bei ihrem ersten Gottesdienstbesuch willkommen geheißen wurden, aber nicht jeder mit der Art und Weise klar kam. Manche Gäste sind schüchtern.  Wenn sie dann aufgefordert werden, aufzustehen und sich vor einem großen Publikum mit Namen vorzustellen und zu erzählen, woher sie kommen, überfordert sie das, besonders, wenn sie die Sprache nicht können. Andere haben keine Probleme damit.
Fast alle würden sich jedoch freuen, wenn sie am Ende des Gottesdienstes von vielen Menschen begrüßt und willkommen geheißen würden. Das gebe ihnen regelrecht ein Glücksgefühl.

Einige von denen, die aus arabischen Ländern kommen, hätten überhaupt nichts dagegen, wenn jemand sie um ihre Kontaktdaten (Handynummer, Wohnort) bitten würde. Im Gegenteil, sie würden gerne diese Informationen weitergeben, um in Kontakt zu bleiben.

Ein Freund drückte seine Gefühle so aus: „Wir würden uns sehr freuen, wenn uns jemand  nach dem Treffen zu einer Tasse Kaffee einladen würde. Bei so einer Gelegenheit könnten wir zwanglos ins Gespräch kommen.“

Fremde oder Flüchtlinge brauchen Freunde, auch wenn sie vielleicht auch nur einen Teil der Leere ausfüllen, die sie in der Fremde spüren. Der Verlust von Freunden und Familie schmerzt sie. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie ihre Familien, ihre echten Freunde, ihre lieben Nachbarn, ihre Arbeit, in der sie gut waren, verlassen haben. Ihre Kultur, die sie tief geprägt hat und von der sie ein Teil waren, fehlt ihnen. Jetzt ist alles neu und anders. Sie müssen eine neue Sprache lernen und sich mit einer fremden Kultur anfreunden. Sie haben keine Freunde, die mit ihnen diese Herausforderungen teilen. Niemand versteht die vielen Fragen, die in ihrem Kopf kreisen.

Es ist zu beachten, dass Flüchtlinge sehr schwierige Zeiten durchgemacht haben, besonders bei ihrer Ankunft in Deutschland. In den Erstaufnahmeeinrichtungen mussten sie mit anderen Familien ihren Schlafraum teilen, in Warteschlangen auf Essen warten und sich auch Toiletten teilen. Daher ist jedes Lächeln, das sie von einem Gemeindemitglied bekommen, wie ein Glas kaltes Wasser an einem sehr heißen Tag. Es ist auch ein Hauch von Zärtlichkeit in einer grausamen Welt.

Es wäre großartig, wenn die Kirche einen Dolmetscherdienst hätte, der in die Sprache der Neuankömmlinge übersetzt. Schon eine Übersetzung ins Englische als internationale Sprache ist sehr hilfreich. Wenn das nicht möglich ist, hat eine herzliche Begrüßung am Ende oder während des Gottesdienstes eine große Wirkung und berührt die Herzen.

Neuankömmlinge, insbesondere diejenigen, die kein Deutsch sprechen, brauchen in der ersten Phase der Eingewöhnung in Deutschland immer wieder deutsche Geschwister, die ihnen beim Ausfüllen von Formularen helfen. Beim Lesen und Schreiben von Briefen an Behörden brauchen sie Hilfe. Sie fühlen sich so, als wären sie mitten in der Wüste oder in einem undurchdringlichen Wald verloren. Sie wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Es ist ein sehr tiefes und herausforderndes Gefühl. Ich denke, dass niemand es nachempfinden kann, der es nicht selbst erlebt hat.

Sollen wir als Gemeinde darauf warten, dass die Fremden zu uns in die Gemeinde kommen oder soll die Kirche zu ihnen gehen?

Eines Tages traf ich in Deutschland einen Syrer, der kein Christ war. Seine Frau stammt aus der Ukraine, sie hatten sich vor langer Zeit dort kennengelernt, geheiratet und reisten nach Syrien gereist, um dort zu leben. Als nach einigen Jahren der Krieg in Syrien begann, flohen sie in die Ukraine. Einige Jahre später begann auch dort ein Krieg, nun kamen sie mit ihren drei Kindern nach Deutschland.

Durch Gottes Führung konnte ich zwei Tage bei der Familie bleiben. Eines Nachts stellte er mir diese Frage: „Ich kann nicht verstehen, warum einige Leute hier in diesem Dorf sehr hilfsbereit und nett sind und uns unterstützen. Sie gehören nicht zu meiner Religion, und sie kommen nicht aus meiner Kultur.”

Am nächsten Tag erinnerte mich der Heilige Geist an Matthäus 25:35: “Denn ich war hungrig und du hast mir etwas zu essen gegeben, ich war durstig und du hast mir etwas zu trinken gegeben, ich war ein Fremder und du hast mich eingeladen.“ Ich bat ihn, diesen Vers mit mir gemeinsam zu lesen. Dadurch erfuhr er, dass Jesus ursprünglich die Kultur in Deutschland geprägt hat. Obwohl viele Menschen das ablehnen und nicht mehr wissen, prägt es doch noch ihr Verhalten. Und erst recht das der Gemeinde Jesu.

Dies zeigt auch, dass einige Gemeinden warten, bis Fremde zu ihnen kommen, um sie dann mit Jesus bekannt zu machen. Andere ergreifen die Initiative und laden Menschen in ihre Häuser ein.

In den ersten 300 Jahren hatte die Kirche kein Gebäude. Sie traf sich in Häusern und im Tempel. (Apg 2, 44-47) Trotzdem wuchs sie auf erstaunliche Weise in einer Zeit ohne Internet und Flugzeuge, die die Apostel zu ihrer Evangelisation nutzen konnten. Gemeinschaft ist enorm wichtig, weil sie biblisch ist. Besonders für die Seele von Fremden und Flüchtlingen hat sie eine hohe Bedeutung. (1. Kor 12,12; 1. Joh 1,3)

Brauchen alle Migranten, die zu uns in die Gemeinde kommen etwas oder kann es sein, dass sie uns auch etwas Wertvolles geben können?

Ein syrischer Mann erzählte mir von einer Erfahrung in einer Kirche, die schmerzhaft für ihn war. Die Kirchenmitglieder nahmen an, dass er nur kam, um finanzielle Unterstützung zu bekommen. Deshalb erklärten sie ihm, wie die deutschen Sozialhilfe Programme ihn und seine Familie unterstützen können.
Er ging nicht mehr in diese Kirche, sondern versuchte es mit einer anderen. Die hieß ihn willkommen. Später bemerkte die neue Kirche sein großes Talent als Maler. Außerdem sprachen er und seine Frau Aramäisch, die Sprache, die auch Jesus auf dieser Erde gesprochen hat.

Ich möchte ein neues Zuhause und eine neue Familie finden, zu der ich und meine Kinder gehören können.

Eine einladende Kirche zu finden, das ist ein Traum, sagte jemand. Für seine Kinder und seine Frau sucht er eine Gemeinde, die von wahrer Liebe und Respekt geprägt ist, um im Glauben wachsen zu können.

Für christliche Familien aus dem Nahen Osten ist es sehr wichtig, dass ihre Kinder weiterhin eine Sonntagsschule besuchen, wie sie es früher in ihrer Heimat getan haben. In einigen Kirchen in Ägypten gehen Hunderte von Jungen und Mädchen in die Kirche zu monatlichen, wöchentlichen, ja sogar täglichen Treffen. Dadurch werden die Bindungen untereinander, aber auch zur Kirche gestärkt. Auch Sport- und Outdoor-Aktivitäten für Jugendliche gehören dazu. So ist die Kirche das Haus der ganzen Familie.