Wie sahen die Ursprünge der christlichen Gemeinde aus? War es auch eine internationale Gemeinde oder handelt es sich um eine neue Idee unserer heutigen Zeit?

 

Akzeptanz in Gemeinde nur für Inländer?

Findet ein ausländischer Christ erst dann einen Platz in unserer Gemeinde, wenn er auch unsere Sprache spricht und sich unseren Verhaltensweisen angepasst hat? In unserer Gesellschaft wurde über mehrere Jahrzehnte der multikulturelle Traum geträumt. Das Ideal ist durch Erfahrungen erschüttert worden – Abgrenzungen und Unterschiede treten zutage. Doch aus dem Alltag von Kindergarten, Schule, Ausbildung, Sport und Berufsleben gibt es auch viele gute Beispiele von gegenseitiger Achtung und Annahme trotz verschiedener Nationalität. Wenn Christus unser aller Herr ist, sollte sich das nicht in unserer Gemeinde widerspiegeln?

 

Die Christen in Antiochia – unser Vorbild?

Die Gemeinde in Antiochia ist für mich so etwas wie ein Prototyp, denn zum ersten Mal kam dort die zunächst spöttische Bezeichnung ‚Christianer‘ auf. Sie bestand nicht nur aus syrischen Christen. Antiochia gehörte als wichtige Hauptstadt zum römischen Weltreich. Das heutige türkische, eher unbedeutende Antakya liegt nahe an der Grenze zu Syrien. In Apg 11,19ff erfahren wir, wie diese Gemeinde durch verfolgte Christen entstand und dass die Verkündigung zuerst ausschließlich den dort ansässigen Juden galt. Doch dann kam die Wende: „Aber einige … redeten auch zu den Griechen und predigten das Evangelium…”. Über die geistlichen Auswirkungen lesen wir: „eine große Zahl wurde gläubig”. Daraufhin wurde der Judenchrist Barnabas von der Jerusalemer Gemeinde nach Antiochia geschickt. „Als dieser dort hingekommen war und die Gnade Gottes sah, wurde er froh…”. Was mag es wohl für eine Gemeinde bedeuten, wenn sie so von Gottes Gnade geprägt wird, dass diese sozusagen sichtbar wird?! Dort ist etwas „offen sichtlich” geworden von dem, was Paulus im Brief an die Epheser (2,11-22) schreibt: „Christus ist es, der uns allen den Frieden gebracht hat und Juden und Nichtjuden zu einem einzigen Volk verbunden hat… Ihr Menschen aus den anderen Völkern seid also nicht länger Fremde und Gäste. Ihr habt Bürgerrecht im Himmel”.

 

Maßgebliche Christen – international zusammengesetzt

In Apg 13,1 werden die Propheten und Lehrer dieser Gemeinde namentlich erwähnt: Barnabas, Simeon, Luzius, Manahen und Saulus. Männer, die sich mit ihren geistlichen Gaben maßgeblich am Gemeindebau beteiligten. Wer waren sie? Barnabas war Jude und stammte aus Zypern. Er hatte Paulus aus Tarsus nach Antiochia geholt zur Unterstützung in Verkündigung und Gemeindebau. Paulus war Jude mit römischem Bürgerrecht, der zuvor als Saulus die Christus-Anhänger massiv verfolgt hatte. Simeon hat einen jüdischen Namen. Warum er den Beinamen Niger, der Schwarze, trägt, wird nicht erkennbar. Manahen war entweder tatsächlich Sohn der Amme des Herodes Antipas oder er bekam die Bezeichnung ‚Milchbruder‘ als einen Titel, der an griechischen Höfen auch ohne solche naturhaften Beziehungen verliehen werden konnte. Jedenfalls ist er damit als Palästinenser und als älterer und auch gesellschaftlich angesehener Mann gekennzeichnet. Von Luzius aus Kyrene – Hauptstadt der römischen Provinz Cyrenaica, heute Libyen – wird berichtet, dass er wegen der Verfolgung nach der Ermordung des Stephanus‘ mit anderen aus Jerusalem nach Antiochia geflohen war.

 

Christen heute – an Kultur oder an Christus orientiert?

Innerhalb von rund 2.000 Jahren hat sich der Glaube dieser „Christianer” in alle Welt verbreitet. In Epheser 2,20-21 zeichnet Paulus das Bild eines Gebäudes. Wenn also In- und Ausländer zu Christus gehören, sind auch sie wie Bausteine eines heiligen Tempels, in dem Gott durch seinen Geist wohnt. Jesus ist der Eckstein im tragenden Fundament. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten. Durch ihn wächst er auf zu einem heiligen Tempel. Wenn der Völkerapostel Paulus im Gefängnis für die Christen betet, dann wird in seinen Gebeten deutlich, wie er sich dafür einsetzt, dass der „Bau” wächst (Eph 3,14-20). Was hindert uns deshalb, offen für Christen anderer Hautfarben und Sprachen zu sein, offen für unterschiedliche Begrüßungsformen und Gebetshaltungen, Melodien und Liedgut…? Es nützt nichts, wenn ich mich über Unansehnliches auf der „Gemeinde-Baustelle” beklage. Viel besser ist es, mich als Baustein „bearbeiten” und einfügen zu lassen und zuzulassen, dass vielleicht neben mir oder über mir kein scharz-rot-goldener Baustein eingefügt wird. Denn Gott sagt: „Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der alle Völker zu mir beten können” (Jes 56,7).

 

Orientierung 2002-05; 15.02.2000

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