Das Fasten im Monat Ramadan gehört zu den „5 Säulen“ des Islam. Es ist für jeden erwachsenen Muslim „unbedingt geboten“. Allen, die das Fastengebot bewusst übertreten, wird Strafe angedroht – sofern sie nicht eine der im Koran genannten Ausnahmeregelungen für sich in Anspruch nehmen können. Das arabische Wort „sawm“ hat die Grundbedeutung: „sich enthalten“ – z. B. vom Reden, Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr. Schon vor dem Auftreten Mohammeds war auf der arabischen Halbinsel das Fasten als religiöse Praxis bekannt. Mohammed selber hat sich bereits vor seiner Berufung zum „Propheten“ zu Fasten und Meditation in die Wüste zurückgezogen. Als Pflicht für die Muslime wurde das Fasten erst in Medina eingeführt. Dort kamen Mohammed und seine Anhänger in Kontakt mit Juden; Mohammed war sehr interessiert an einem Bündnis mit ihnen gegen die Mekkaner. Um die Juden zu gewinnen, hielten er und die Muslime und andere mit ihnen das Aschura-Fasten (das Fasten am Versöhnungstag – vgl. 3. Mose 16) ein. Die Juden ließen sich jedoch nicht für ein Bündnis gewinnen. Nach der Schlacht bei Badr, in der Mohammed einen entscheidenden Sieg über die Mekkaner errungen hatte, brauchte er die Juden nicht mehr; das Fasten wurde nun bezogen auf die Herabsendung des Koran (Sure 2,185).

Der Fastenmonat Ramadan

In der 27. Nacht des Monats Ramadan (lailat al-qadr – „Nacht der Macht“; vgl. Sure 97 und 44,3) soll Mohammed seine erste Offenbarung (Sure 96,1-5) durch den Engel Gabriel empfangen haben. So wurde der Monat Ramadan, der 9. Monat des muslimischen Mondjahres, zur vorgeschriebenen Fastenzeit. Das Fasten beginnt mit dem Tag, an dem die Mondsichel neu am Himmel erscheint; nach etwa 30 Tage, mit erneutem Sichtbarwerden der Mondsichel, ist der Fastenmonat zu Ende. Es folgt das Fest des Fastenbrechens (`id al-fitr, auch „kleines Fest“ oder „Zucker-Fest“ – Türkisch: Şeker Bayramı). – Da die Mondmonate kürzer sind als die Monate im Sonnenjahr, wandert der Ramadan in 34 Jahren einmal durch alle Jahreszeiten.

Fastenpraxis im Monat Ramadan

Die Grundlage für die islamische Fastenpraxis findet sich vor allem in Sure 2,183-187. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang (solange man einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann – Sure 2,187) müssen Muslime sich enthalten von Essen und Trinken und Geschlechtsverkehr; auch das Ausspülen des Mundes mit Wasser und das Rauchen, nach manchen Theologen sogar das Schlucken des Speichels sind verboten. Damit das Fasten als gültig anerkannt wird, muss zu Beginn eine Absichtserklärung zur Einhaltung des Fastens ausgesprochen werden – wobei umstritten ist ob nur am Anfang des Fastenmonats oder täglich. In der islamischen Welt hat das Fasten im Ramadan starke Auswirkungen auf den gesamten Tagesrhythmus. Tagsüber wird weniger gearbeitet; die Ämter schließen früher. Das Leben verlagert sich mehr in die Nächte, in denen ausgiebig gegessen und getrunken wird. In der Regel wird im Ramadan mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben als in anderen Monaten.

Ausnahmen und Ersatzleistungen

Vom Fasten entbunden sind Kinder, Kranke, Schwangere, Stillende, Greise, Schwerstarbeiter und andere, die durch das Fasten an Gesundheit und Leben Schaden nehmen würden. Auch Reisende müssen nicht fasten. Den Frauen ist während ihrer Periode (Unreinheit) das Fasten verboten. – Erwachsene müssen die entsprechende Anzahl von Tagen möglichst bald nachholen. Es wird allerdings auch die Möglichkeit eingeräumt, das Fasten durch die Speisung eines Bedürftigen (Sure 2, 184) und Ähnliches abzugelten. Allah macht es niemandem zu schwer (Sure 2, 185). Wer jedoch das Fasten absichtlich bricht, muss ein 60-tägiges Sühnefasten ableisten, einen Sklaven loskaufen oder große Almosen geben. Wer stirbt, während er noch eine gewisse Zeit fasten müsste, für den soll ein naher Verwandter das Fasten leisten.

Zusätzliche Fastenzeiten

Als Strafen für bestimmte Sünden können zusätzliche Fastentage (Bußfasten) angeordnet werden (vgl. Sure 5,98). Für Muslime, die besonders fromm sein oder schlechte Taten ausgleichen möchten, gibt es die Möglichkeit, freiwillig zusätzliche Fastenzeiten auf sich zu nehmen; dies ist „wünschenswert“ und gilt als verdienstliches Werk. Empfohlen wird ein zusätzliches Fasten z. B. für den Aschura-Tag oder für sechs Tage des Monats Shawwal, der auf den Ramadan folgt. – An Feiertagen ist das Fasten jedoch verpönt, am Fest des Fastenbrechens und am Opferfest ist es sogar verboten.

Erwartungen, die mit dem Fasten verbunden sind

Ein rein äußerliches Fasten reicht nicht. „Wenn jemand nicht unterlässt, das Falsche zu bezeugen und es zu tun, so liegt Gott nichts daran, dass er vom Essen und Trinken absteht.“ (Hadith) – Die Fastenzeit soll der religiösen Erneuerung dienen. Sie soll den Muslimen helfen, sich nicht zu sehr an die vergängliche Welt und die körperlichen Bedürfnisse zu binden. Manche erwarten sich vom Fasten eine Reinigung der Seele und Kraft, die Sünde zu besiegen. Im Ramadan werden zudem in besonderer Weise Koranrezitationen dargeboten, und man trifft sich zu nächtlichen Gebetszeiten (tarawih) in den Moscheen. Muslime hoffen, dass sie sich durch das Fasten große Verdienste erwerben und dass es zur Tilgung ihrer Sünden dient. – Das bleibt allerdings eine vage Hoffnung. Denn Gott ist völlig frei in seinem Richten oder Vergeben. Letztlich ist das Fasten schlicht eine Pflichterfüllung: Es wird gefastet, weil Gott es so will!

 

Orientierung 1998-05; 15.11.1998

Sie dürfen diesen Artikel frei kopieren unter Angabe der Herkunft: www.orientierung-m.de