Beziehungen mit Menschen in Asylheimen aufbauen und pflegen

Der Dienst unter Flüchtlingen aus anderen Ländern und Kulturen verlangt ein hohes Maß an Sensibilität für diese Menschen, die oft schwere Erfahrungen hinter sich haben, und auch bei uns mit manchen Enttäuschungen und Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben (Unterbringung, schleppende Asylverfahren, keine Arbeit, …).

Dennoch freuen sich die meisten über einen Besuch, jemand, der sich für sie Zeit nimmt, ihnen zuhört, wo sie auch ihren Frust ablassen können. Selbst wenn wir ihre Sprache nicht sprechen und nicht alles verstehen, so werden sie dennoch unsere Motivation spüren. Die Sprache der Liebe versteht jeder.

Was sollten wir wissen, wenn wir ein Heim besuchen?
Da wir in den wenigsten Fällen eine offizielle Erlaubnis von einer Behörde erhalten, sind wir auf das Wohlwollen des Heimleiters angewiesen. Es ist gut, uns gemäß der Heim- bzw. der Besucherverordnung zu verhalten. (Diese kann von Heim zu Heim unterschiedlich sein).

Wir sollten uns beim Heimleiter vorstellen, damit er weiß, wer wir sind und was unsere Absicht ist. Hier gilt es weise vorzugehen, denn sonst können wir uns sehr leicht den Zugang verbauen. Nicht in jedem Fall ist ein Besuch von Christen erwünscht! Gegebenenfalls einen Besuch abends oder am Wochenende machen, um dadurch jemand kennen zu lernen. Auch eine Begegnung außerhalb des Heimes erleichtert den Zugang, da ich auf eine Person mit Namen verweisen kann, die ich besuchen möchte.

Eine Angabe einer örtlichen Gemeinde mag helfen, um uns besser einordnen zu können. Wir dürfen unsere Fürsorge für die Christen zum Ausdruck bringen, auch fragen, wie wir ihnen eventuell helfen können. Dabei wollen wir nicht als ‚Missionare‘ auftreten, sondern als Zeugen von Jesus Christus, die sich dieser Menschen annehmen möchten.

Andere Länder andere Sitten – wie verhalten wir uns richtig?
Unser Auftreten und Verhalten kann sehr entscheidend für zukünftige Begegnungen sein. (Nicht nur gegenüber der Behörde, sondern auch bei den Asylbewerbern). Freundlichkeit zeigen, sich vorstellen, nach ihrem Wohlbefinden fragen sind ‚Einsteiger‘, damit wir dem Unbekannten unser Interesse an ihm zeigen. (Hilfreich kann sein, dass wir sagen, nicht von den Wachturm-Leuten zu sein).

In den meisten Fällen werden wir gebeten, ins Zimmer zu kommen. Sie wollen uns dadurch ihre Gastfreundschaft zeigen, und darum sollten wir diese Einladung gerne annehmen.
Vor dem Betreten eines Zimmer sollten wir noch beachten:

  • Wenn sich eine Person des anderen Geschlechts alleine im Zimmer befindet, treten wir nicht ein. (Es mag dafür berechtigte Ausnahmen geben).
  • Wenn Teppiche ausgelegt sind, bitte Schuhe ausziehen.
  • Was uns an Essen und Trinken vorgesetzt wird, sollten wir annehmen.
  • Bei Kontakten sollten wir unbedingt die Regel einhalten: Männer mit Männern, Frauen mit Frauen.

Unseren Gesprächspartner sollten wir nicht als Missionsobjekt ansehen, sondern als einen Menschen mit Gefühlen, Empfindungen und Regungen, z. T. voller Probleme, mit großen Erwartungen an seinen Aufenthalt hier etc.

Beim ersten Kontakt wollen wir unserem Gegenüber das Gefühl vermitteln, dass er willkommen ist. Bitte nicht (gleich) nach dem Grund seines Hierseins fragen (warum hat jemand sein Land verlassen…), sondern sich erkundigen, wie es ihm ergeht, ob er noch Eltern, Geschwister etc. in seinem Land hat und ob er mit ihnen in Kontakt steht.

Sei ein guter Zuhörer. Er hat wenig Möglichkeit, das zur Sprache zu bringen, was ihn bedrückt und umtreibt. Aber es tut ihm gut, erzählen zu können, auch wenn wir nicht alles verstehen mögen.

Ein Foto von meiner Familie dabei zu haben kann hilfreich sein, um ihm dadurch etwas mehr von meiner Person mitteilen zu können.

Gleich welche Religion mein Gegenüber hat, darf ich mich zu meinem Glauben mutig bekennen.

Durch mein Auftreten und Benehmen kann ich ohne große Worte (je nachdem, wie es von der Verständigung her möglich ist) ein gelebtes Zeugnis hinterlassen. Darum ist mein Verhalten die erste Predigt. Unsere Motivation wird vielleicht schneller erkannt, als wir es meinen.

Wichtig dabei ist, dass wir nicht als Vertreter der christlichen Religion oder einer Kirche auftreten. Wir sind auch nicht Verteidiger des Evangeliums, sondern dürfen mutig bezeugen, was uns der Glaube an Gott, Jesus Christus und Sein Wort bedeutet. Dies wird respektiert!

Da besonders Muslime eher von einem negativen Bild über das Christentum geprägt sind, haben wir die Möglichkeit, ihnen einen anderen Eindruck zu vermitteln und somit ihre Vorstellung zu revidieren.

Wir sind das Gesicht der Gemeinde! Vielleicht ist es für manchen die erste Begegnung mit einem Jesus-Nachfolger. Dieser Eindruck, den wir vermitteln, kann sich positiv auf das Interesse am Glauben auswirken.

In den Gesprächen darf es in erster Linie nicht um den dogmatischen Glauben gehen, sondern darum, das persönlich Erlebte zu bezeugen. Auch wenn mein Gegenüber eine andere Überzeugung hat, so darf es meine subjektive Erfahrung hören. Gerade dies kann in ihm ein Nachdenken bewirken.

Es ist gut, eine Schrift in seiner Sprache anzubieten. Je nach Situation ist das Lesen eines Bibeltextes (er soll es in seiner Sprache tun) angebracht, um ihn aus dem Wort Gottes zu ermutigen. Die Psalmen bieten hierfür geeignete Beispiele von Menschen, die in einer ähnlichen Situation waren.

Dort wo wir sehen, dass weitere Besuche angebracht und erwünscht sind, sollten wir dafür genügend Zeit einräumen. Wir werden dabei bald merken, wie der Aufbau einer Beziehung (viel) Zeit beansprucht. Diese sollten wir bei der Pflege einer Freundschaft unbedingt mitbringen.

Begegnungen auch außerhalb des Heimes wären gut für die Bewohner und eine willkommene Abwechslung zu ihrem eher eintönigen Alltag (z. B. gemeinsame Unternehmungen, Sport, Gemeindeveranstaltungen besuchen …).

Vielfach lernen wir über eine Bezugsperson wieder andere kennen, so dass es uns den natürlichen Zugang zu weiteren Menschen öffnet.

Mit der Freundschaftspflege geht oft eine diakonische Hilfe Hand in Hand. Wir brauchen hierfür viel Weisheit, wie weit wir uns engagieren sollten, so dass wir keine falsche Abhängigkeit erzeugen. Auch der Umgang mit finanziellen Zuwendungen sollte weise bedacht sein.

Durch solche natürlichen Begegnungen haben wir eine große Chance, diesen Menschen, gleich welcher Herkunft, Sprache oder Religion, wahres Christsein zu zeigen, denn wir werden als ein Brief Christi gesehen und beobachtet. Darum ist es gleichzeitig eine Herausforderung an mich persönlich, authentisches Glaubensleben vorzuleben.

Wir möchten Mut machen, Schritte zu wagen – vielleicht wartet jemand darauf, dass er von einem Menschen besucht wird, der ihm Jesus Christus bezeugt.

Orientierung 2014-01; 15.02.2014
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