Zum Ableben von Anne-Marie Tartar (1909-2003). Madame Tartar arbeitete von 1938 bis 1976 als Missionarin der Action Chrétienne en Orient (ACO).

 

„Talita” nannte sie Pfarrer Berron, der Gründer der ACO. Sie hatte schon neun Jahre als Lehrerin in Niederbronn hinter sich. Da traf sie der Ruf, als Missionarin in den Orient zu ziehen. „Talita kumi!” hörte sie rufen. 1938 war es, auf der Haselmühle. Und Talita stand auf, verabschiedete sich von Eltern und Beruf, und reiste zunächst nach Jerusalem, um dort Arabisch zu lernen. „Noch nie bin ich einer Studentin begegnet, die sich so schnell und vorzüglich die arabische Sprache aneignete” wird später der Direktor der Schule von ihr sagen.

1939 sendet sie die ACO als Missionslehrerin nach Hassake in Nordostsyrien. Dort trifft sie bald der Ausbruch des 2. Weltkrieges. Es zeugt für ihren Mut und ihre Tapferkeit, dass sie ihren Posten nicht verlässt. Die ganzen langen sechs Kriegsjahre wird sie in Hassake verbringen, wohl unter sehr primitiven Umständen und vielerlei Entbehrungen. Trotzdem wird sie der dortigen evangelischen Schule durch ihre berufliche Kompetenz und geistige Autorität einen weit sich ausbreitenden Ruf verschaffen.

 

Innere Mission in Aleppo

Erst 1946 kehrt sie zum Erholungsurlaub ins Elsass zurück. 1948 startet sie dann zu ihrer zweiten Orientreise, diesmal nach Aleppo, das ihr zur zweiten Heimat und zu ihrer hauptsächlichen Wirkungsstätte wurde. Zusammen mit Schwester Hedwig Büll wird sie die kurz vor dem Krieg errichteten beiden Missionshäuser Elim und Sichar zu einem im ganzen Umkreis bekannten Evangelisationszentrum gestalten. Es entsteht das Werk einer Inneren Mission, wo nicht nur arabische, sondern auch armenische Frauen wöchentlich zusammenkommen zu Bibelarbeit, Gottesdienst und geistlicher Rüstzeit. Und vor allem auch Jugendliche, die wiederum gleich Evangelisten in ihren Ferien die Dschesire evangelisieren. Es ist wohl der einzige Ort im Orient, wo sich arabische und armenische Christen zum gemeinsamen Gottesdienst und gemeinsamer Liebesaktion zusammenfinden. Dazu hat sie sich natürlich auch die armenische Sprache zu eigen gemacht.

1949 heiratet sie den syrischen Prediger Elias Tartar aus Damaskus. Er war ein glühender Eiferer für Christi Sache, so dass die beiden ein eng verbundenes und äußerst wirksames Evangelistenpaar bildeten. 1975 wurde die Ehe aufgelöst durch den Tod des Ehegatten.

 

Zur Zeit wie zur Unzeit

1976 kehrte Anne-Marie Tartar endgültig ins Elsass zurück, um bei ihrer Nichte in Niederbronn ihren Ruhestand zu verbringen. Doch längst war ihre missionarische Tätigkeit nicht zu Ende. Unermüdlich und mit gezielter Zähigkeit bereicherte sie durch ihre Beiträge unzählige Bibelwochen und geistliche Rüstzeiten, namentlich auf dem Riesack. Zudem hatte sie bei den nun im Elsaß wohnenden muslimischen Türken ein neues „Missionsfeld” gefunden, und teilte unentwegt ihre biblischen Traktate aus.

Von einer kindlich einfachen und gesunden Unerschrockenheit beseelt, setzte sie buchstäblich die Ermahnung des Apostels Paulus an Timotheus (2. Tim 4,2) in die Tat um: „Predige das Wort, zur Zeit oder zur Unzeit!” Ich sehe sie noch im Straßburger Bus kleine Evangelien an türkische Arbeiter austeilen…

Herzlich und zutreffend hat von ihr der Direktor der Bibelgesellschaft in Beirut geschrieben: „Sie war für mich wie eine Mutter. Niemand hat mich während meiner ersten Jahre im Mittleren Osten so sehr den Weg Jesu lieben gelehrt, wie sie. Dem oberflächlichen Anschein nach war sie eine strenge Missionarin der alten Zeit. Dabei hat sie uns junge Menschen ermutigt, den Lebensweg des Glaubens zu gehen wie sonst niemand.

Ihr Ende war schwer. Nach einem Herzinfarkt im vergangenen Frühsommer ins Hagenauer Spital eingeliefert, sollte sie nie mehr heimkehren. Die bessere, endgültige Heimkehr durfte sie nach längerem Leiden am 18. Dezember 2003 erfahren, als Abschluss eines langen, erfüllten Lebens für Jesus Christus.

 

Anmerkung der Redaktion: Frau Tartar stand auch mit dem Orientdienst in Verbindung. Hier bestellte sie türkische Literatur. Die ehemalige türkische Mitarbeiterin Yüksel fuhr wiederholt in den Elsaß, um mit Frau Tartar türkische Familien in den Dörfern zu besuchen. Dieser Artikel ist zuerst in „Levant” erschienen.
Orientierung 2002-05; 15.02.2000…

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