Einige Menschen brauchen einen ungewohnten Satz, der ihnen quer kommt, der so ganz andere Inhalte präsentiert, als sie gewohnt sind. Dadurch lässt sich ihre volle Aufmerksamkeit erzielen

Wenn wir christliche Anzeigen in türkischen Zeitungen, Magazinen oder im Internet schalten, erreichen wir manchmal mehr Rückmeldungen, wenn wir muslimischen Behauptungen direkt widersprechen. Eine Anzeige lautete z. B. „Das Neue Testament ist nicht gefälscht! Wollen Sie es einmal lesen?“ Wir müssen uns dabei klar machen: Muslime bekommen von Kindesbeinen an gesagt: „Die heutige Bibel ist gefälscht, überholt, nicht wichtig!“

Ist das nicht interessant, dass wir gerade durch freundlichen, aber bestimmten Widerspruch Menschen zum Nachdenken bringen können?! Es ist nicht immer hilfreich zu harmonisieren.

Im Gespräch mit türkischen Muslimen hört man immer wieder „Elhamdülillah müslümanım“, d.h. „Preis sei Gott, ich bin Muslim (und kein Christ, kein Jude, kein Götzendiener)!“ Auf die Frage, ob ich auch Muslim bin, antworte ich mit Genuss: „Elhamdülillah“ PAUSE. Da freuen sie sich schon, einen Deutschen als Muslim kennen zu lernen, doch dann setze ich hinzu „Hıristiyanım“, also „Preis sei Gott, ich bin Christ!“ Im Bild gesprochen „haut das die meisten dann um“. Sie möchten unbedingt wissen, wieso ich noch Christ bin, und ich kann das erklären.

Ein weiterer Ansatzpunkt für mich ist zu sagen, dass ich nicht an „Gute Werke“ glaube – als Mittel zur Erlösung. Ich sage auf Türkisch: „Sevap yok! Sevaba inanmıyorum!“, was so viel bedeutet wie: „es gibt keine guten Werke! Ich glaube nicht daran!“ – „Aber“, so kommt sofort die Frage: „wie ist das möglich? Jeder glaubt doch daran.“ Muslime vertrauen darauf, sich durch gute Werke den Himmel zu verdienen oder zumindest daran mitarbeiten zu können. Ein bekanntes Bild dafür ist die Waage, die gute und böse Werke gegeneinander aufwiegt. Wenn die guten Werke schwerer wiegen, dann kann es gut ausgehen und jemand kommt in den Himmel. Deshalb beten, fasten, pilgern, spenden, kämpfen Muslime für den Islam. Wenn ich nun das durch diese kurze Aussage in Frage stelle, rüttle ich an den Grundfesten ihres Glaubens und ihres Weltbildes. Sofort möchten sie wissen, ob und warum ich dann gute Werke tue. Wieder eine Gelegenheit, meine Gewissheit in Christus zu erklären. Meine Erlösung beruht eben nicht auf meinen Werken, sondern auf dem Werk, das Jesus am Kreuz für meine Schuld erbracht hat. Gute Werke sind für mich nur noch ein herzlicher Dank an meinen Erlöser!
Jesus selbst benutzte öfters genau diese Methode. Ein krasses Beispiel dafür: „Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank“ (Joh 6,55). Ein Schock für die Juden, denen doch verboten war, Blut zu trinken und Menschenfleisch zu essen. Durch diese Provokation bringt Jesus seine Zuhörer zum Nachdenken. So eine Aussage vergisst man nicht so leicht. Gut möglich, dass in der ersten Gemeinde in Jerusalem Menschen waren, die über genau diesen Satz gestolpert waren – und seine Bedeutung dann erst beim Abendmahl verstanden.

 

Orientierung 2010-05; 20.11.2010

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