Mitbürger mit Migrationshintergrund zu achten und wie uns selbst zu lieben, ist für uns Christen meist herausfordernd. Schauen wir uns die Begegnungen der ersten Christen mit Migranten an, dann finden wir besser für uns heraus, worauf es heute vor allem ankommt. Denn Gott will, dass Migranten in seinem „Team“ mitspielen – dürfen sie es auch in unserer Gemeinde?

„Hochachtungsvoll“ schreiben wir manchmal unter offizielle Briefe. Wir achten den Empfänger hoch, weil er einflussreich ist, eine höhere Stellung hat und weil wir meist mit dem Brief, dem Antrag oder der Bewerbung eine Erwartung verbinden. Aber fordert uns Gottes Wort nicht auf, jeden Menschen hoch zu achten, weil er von Gott geschaffen und geliebt ist? Sind wir ebenso voller hoher Achtung, wenn wir dem Türken beim Döner-Kebab oder dem marokkanischen Straßenkehrer begegnen? Vielleicht ist es gerade die Person, die Gott in seinem „Team“ mitspielen lassen will. Durch die Fußball-Weltmeisterschaft wurde uns vor Augen geführt, wie z. B. die deutsche National-Elf nicht auf Spieler anderer Hautfarbe, Kultur oder Temperament verzichten konnte. Wenn wir als Christen andere richten, sie aufgrund unserer Denk-Kategorien abstempeln, wirkt dies trennend und zerstörend.

Versuchen wir lieber, uns von der gesamten Person des Migranten oder der Migrantin ein Bild zu machen. Wer Migranten nicht aus dem Weg geht und sogar mit ihnen zusammenlebt, sieht sie anders, lernt sie oft als gastfreundliche und hilfsbereite Menschen kennen. Wer oder was hindert uns, in Kontakt mit ihnen zu treten, uns auf den Weg an die „Hecken und Zäune“ zu machen? Und wenn im Jahr 2009 ca. 96.100 in Deutschland lebende Ausländer eingebürgert wurden, darunter 24.600 aus der Türkei, dann gibt es trotzdem in vielen Lebensbereichen diese unsichtbaren „Hecken und Zäune“. Wie sehr benötigen wir da Hilfe von außen, d.h. von oben:Mit der Kraft des Heiligen Geistes werden wir als Zeugen von Jesus Christus auftreten: „bis ans äußerste Ende der Erde“ (Apg 1,8). Um dahin zu gelangen, gilt es, nationale und kulturelle Grenzen zu überschreiten. Unannehmlichkeiten und Verzicht, aber auch Überraschungen und Freude gehören dazu. Kommen Sie in Kontakt mit ‚Ibn Bahram‘, mit dem Migranten bzw. der Migrantin in Ihrer Straße! Es gibt im Dienst an Migranten manche Möglichkeiten, Gaben und Fähigkeiten zu entdecken, zu entwickeln und einzusetzen.
Bereits vor 2.000 Jahren machten sich die ersten Christen auf, grenzüberschreitend das Evangelium weiter zu tragen. Gott fand seine Wege und Mittel, sie dazu anzuschieben, sie in die Gänge zu bringen und zu ermutigen – auch wir haben es ja nötig. Doch wir können auch von den ersten Christen lernen. Mit dem Ereignis an Pfingsten begann die Mission: „Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt und begannen in anderen Sprachen zu reden… wir alle hören sie in unserer eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden!“ (Apg 2,4.11). Wie wenn nur eins wichtig und eilig war: Von den großen Taten Gottes in Christus zu erzählen, und dies möglichst in der Muttersprache der Zuhörer. Es geschah eben nicht durch die eigene Kraft, die eigene Frömmigkeit, die eigene Erfahrung, sondern durch die Kraft des Heiligen Geistes, die Kraft des Namens Jesus Christus – unter Berufung auf diesen Namen allein ist Rettung möglich.

Das Neue Testament berichtet von weiteren Personen, die von Gott „mobilisiert“ wurden, Menschen anderer Kulturkreise zu erreichen: Philippus predigte den Menschen im Nachbarland Samarien und führte später den reisenden äthiopischen Finanzminister zum Glauben an Jesus. Der von jüdischer Frömmigkeit geprägte Petrus wurde zum römischen Hauptmann Kornelius geschickt, der offen für das Evangelium war. Gott zeigte Petrus, dass er keinen Menschen als unrein oder unberührbar betrachten sollte. Es war für Petrus, als ob Schuppen von seinen Augen fielen: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott keine Unterschiede macht. Er liebt alle Menschen, ganz gleich, zu welchem Volk sie gehören, wenn sie ihn nur ernst nehmen und tun, was vor ihm recht ist“ (Apg 10,34-35). In einem seiner Briefe bringt er später deutlich zum Ausdruck, dass es Gott um die Rettung aller Menschen geht: „Gott möchte nicht, dass auch nur ein Mensch verloren geht, sondern dass alle Buße tun und zu ihm umkehren“ (1. Petr 3,9). In der antiken Stadt Antiochien waren einige Männer, die aus Zypern und Zyrene stammten, die „auch zu den Griechen redeten, indem sie das Evangelium von dem Herrn Jesus predigten“ (Apg 11,20f). In Antiochien begegneten sich orientalische und griechische Zivilisation. Unter den Nichtjuden wurden verschiedene Götter und Herren verehrt. Die Botschaft der wenigen Christen „Christus ist der Herr!“ führte zu einem Durchbruch: „Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Zahl glaubte und bekehrte sich zum Herrn“. Der Apostel Paulus wusste sich dazu berufen, Jesus Christus unter den nichtjüdischen Völkern zu verkünden. „Christus hat durch mein Reden und Tun bewirkt, dass Menschen aus allen Völkern sich Gott im Gehorsam unterstellt haben. Er selbst erwies hier seine Macht, in Staunen erregenden Wundern und durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (Rö 15,18-19). Als er auf einer seiner Missionsreisen nach Athen kam, kochte es in ihm förmlich, weil er überall Götzenbilder sah. Doch ein Altar mit der Inschrift „Für einen unbekannten Gott“ (Apg 17,22-34) bot ihm den Anknüpfungspunkt für eine Rede über diesen Gott. Er sprach von ihm als dem Schöpfer, der nicht auf die Versorgung von Menschen angewiesen ist, und erteilte somit dem Götzendienst eine Absage. Weiter sagte er: „Gott hat gewollt, dass die Menschen ihn suchen, damit sie ihn vielleicht ertasten und finden könnten. Denn er ist ja jedem von uns ganz nahe. Durch ihn leben wir doch, regen wir uns, sind wir!“ (Apg 17,26-27)

Wer immer sich heute Gedanken macht, wie wir den Auftrag, alle Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, in die Praxis der Gemeinde umsetzen können, den möchte ich zunächst auf die Priorität des Gemeindegebets hinweisen: „Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde aufrufe, ist das Gebet, und zwar für alle Menschen… Gott will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden“ (1. Tim 2,1ff). Wir können uns fragen:

  • Hat das Gebet für alle Menschen in meiner Gemeinde diese Priorität?
  • Wird auch für Verantwortliche in der Politik und in den Kommunen gebetet, die in der Regel die ersten Anlaufstellen für Migranten sind?
  • Ist die Rettung aller Menschen das Anliegen?

Paulus wusste sich als Apostel zu den nichtjüdischen Völkern gesandt und als Lehrer von Gott eingesetzt, damit er sie zum Glauben und zur Wahrheit führe (1. Tim 2,7).

  • Was hindert uns, hin in alle Welt, in die Welt der Migranten zu gehen?
  • Eignen wir uns interkulturelle Kompetenz an und lehren Migranten entsprechend?
  • Ist es unser Ziel, dass sie zum Glauben kommen sollen und zur Wahrheit geführt werden?

Der Gesetzeslehrer kannte das jüdische Gesetz und auch die Aussage: „…Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!“ (Luk 10,27) Auf die Frage, wer denn sein Mitmensch sei, erzählte Jesus die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Der Priester sah den überfallenen Mann liegen und ging vorüber. Auch der Levit sah ihn liegen und ging vorbei. Der Reisende aus Samarien sah den Überfallenen, „da ergriff ihn das Mitleid“.

  • Jesus lädt uns ein, wie der Reisende an seinem Mitmenschen zu handeln.
  • Jesus macht uns bewusst, dass bei Begegnungen mit Migranten diese in diesem Moment unsere Nächsten sind.
  • Jesus ermutigt uns, aus Betroffenheit heraus spontan zu handeln. Meine Zeit, meine Priorität, mein Einsatz gilt jetzt diesem hoch geachteten Migranten.
Orientierung 2010-04; 25.09.2010

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