Nach islamischer Auffassung sind Dschinn (Pluralwort) intelligente Geisteswesen, die weder den Menschen noch den Engeln zuzuordnen sind.

Vorislamischer Glaube

In der Vorstellungswelt der Araber vor Mohammed waren Dschinn Wüstengeister (Nymphen, Satyrn). Aus einigen Koranstellen (Sure 37,158; 6,128; 72,6) lässt sich rückschließen, dass die Mekkaner die Dschinn als Verwandte Gottes sahen, ihnen opferten und von ihnen Hilfe erwarteten.

Koranische Aussagen

Laut Koran wurden die Dschinn von Gott aus Feuer geschaffen (Sure 55,15). Sie werden damit von den aus Ton geschaffenen Menschen und den aus Licht geschaffenen Engeln und Satanen (Dämonen) unterschieden. Die Frage ob der Teufel (Iblis) den Engeln oder den Dschinn zuzuordnen sei, wird im Koran nicht eindeutig beantwortet. In Sure 18,50 wird von ihm behauptet: „Er gehörte zu den Dschinn“. An anderen Stellen (2,34; 7,11ff; 15,28-33 und andere) wird er offensichtlich unter die Engel eingereiht. Die Dschinn wurden wie die Menschen geschaffen, Gott zu dienen (51,56). Deshalb sendet Gott auch zu ihnen Gesandte „aus ihrer Mitte“, um sie vor dem Gericht zu warnen (6,130). Ausführlich wird in Sure 72 (der Titel dieser Sure ist „Die Dschinn”) geschildert, wie auch eine Schar Dschinn der Verkündigung Mohammeds zuhört und einige von ihnen zu Muslimen werden (vgl. auch 46,29-31). Laut Koran gibt es also gute und böse, gottlose und fromme Dschinn. Die bösen Dschinn können dem Menschen schaden (114,6). Ein anderer Dschinn hingegen bietet dem König Salomo seine magischen Kräfte zur Hilfe an (27,39; in 27,17 werden die Dschinn zu den „Truppen Salomos“ gezählt).

Dschinn in der islamischen Theologie

Die maßgeblichen islamischen Theologen gehen bis heute selbstverständlich von der Existenz der Dschinn aus. Die Rechtswissenschaft diskutierte mit großer Ernsthaftigkeit die möglichen Beziehungen zwischen Menschen und Dschinn bis hin zu der Frage, wie Kinder aus sexuellem Verkehr zwischen Mensch und Dschinn rechtlich gestellt seien. Es gibt nur einzelne Stimmen, die die offizielle Lehre von den Dschinn bezweifeln. Während der mittelalterliche Philosoph Ibn Sina ihre Existenz schlichtweg bestritt, versuchen heutige modernistische Koranausleger die Aussagen des Koran als frühen Hinweis auf Mikroben und Bazillen zu deuten. Andere sehen in den Dschinn „verborgene Qualitäten oder Fähigkeiten von Menschen“. Solche Gedanken haben aber weder im Volk noch in der Theologie weite Verbreitung gefunden.

Dschinn im Volksislam

Als der Islam sich schnell über Länder und Kontinente auszubreiten begann, erleichterte es die Aufnahme der Dschinn in den Koran, dass die verschiedensten vorislamischen Götzen, Geister und Vorstellungen in den neuen Glauben mithineingenommen werden konnten. Unter dem Begriff Dschinn wurden so in den verschiedensten Formen je nach Region die alten heidnischen und animistischen Bräuche weitergepflegt. Die Dschinn gelten als unsichtbare Geistwesen, die aber dem Menschen in unterschiedlicher Gestalt (schwarze Katze, Ziege, riesenhafter Mensch…) erscheinen können. Es gibt verschiedenste Verhaltensmaßregeln dafür, wie man es vermeiden kann, die Dschinn zu stören oder zu verärgern und damit gegen sich aufzubringen (meiden bestimmter Orte wie Toiletten oder Müllplätze oder Tageszeiten, wie der Nacht; nicht direkt über die Dämonen sprechen…). Zu den Vorsichtsmaßnahmen kann auch der Ausspruch „bismillah“ (im Namen Allahs) vor jeder Aktivität gehören. Unglück und Probleme werden leicht als Folge feindlicher Aktivitäten von Dschinn gedeutet. Eheschwierigkeiten können damit erklärt werden, dass einer der Partner einen Dschinn verärgert hat oder aber dadurch, dass ein Dschinn etwa auf die Frau ein Auge geworfen hat. Andererseits versucht man mit Hilfe magischer Praktiken, die guten Dschinn für die eigenen Zwecke einzuspannen. Meist geschieht das über Personen, die sich besonders darauf verstehen. Über diese Dienste der „guten Geister“ gibt es zahlreiche Berichte. Über die Märchen aus „1001 Nacht“ (Aladins Wunderlampe und andere) sind die nützlichen Dschinn auch tief in das westliche Bewusstsein vorgedrungen und spiegeln sich etwa in Flaschengeistern in Filmen wieder.

Sicht der Bibel
Die Bibel weiß von unsichtbaren Geisteswesen. Sie lehrt jedoch nichts über Geister, die jederzeit zwischen Gut und Böse schwanken können. Während die Engel ausdrücklich im Dienst Gottes stehen, sind die bösen Geister oder Dämonen im Dienst des Teufels an der Verführung und Zerstörung des Menschen interessiert. Abgesehen von eingebildeten und übertriebenen Geschichten – wo Menschen von Dschinn beeinflusst werden oder versuchen, diese Geister für die eigenen Zwecke zu gebrauchen, gibt es nur ein biblisches Deutungsmuster: Hier geraten Menschen in den Einflussbereich und unter die Macht von Dämonen und brauchen die Befreiung durch Jesus Christus.
Orientierung 1993-03/04; 15.06.1993
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