Muslimische Apologeten (Verteidiger ihres Glaubens) betonen, dass Mann und Frau vor Gott gleich seien, denn er habe sie „aus einer einzigen Seele“ (Sure 4,1) erschaffen, als „Freunde“ oder „Beschützer“ (9,72). Gott hat zwischen ihnen „Zuneigung und Barmherzigkeit“ (30,21) gesetzt. Dennoch, so führen muslimische Theologen aus, habe Gott der Frau andere Aufgaben gegeben als dem Mann (vgl. 4,34). Während die Frau für Haus und Familie zuständig sei, sei der Mann zum Gelderwerb verpflichtet und ihm sei der öffentliche Bereich außerhalb des Hauses zugewiesen. Es sei daher trotz der ebenbürtigen Erschaffung von Mann und Frau legitim, „Ungleiches ungleich“ zu behandeln und zwischen Frauen und Männern im gesellschaftlichen wie rechtlichen Bereich Unterschiede zu machen.

Der religiöse Bereich

Der Islam stellt Mann und Frau das Paradies in Aussicht und fordert von beiden gleichermaßen die Einhaltung der Fünf Säulen (Bekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten, Wallfahrt), von der die Frau nur zur Zeit ihrer Unreinheit (Menstruation, Wochenbett) ausgeschlossen ist. Nur der Mann ist jedoch zur Teilnahme am Freitagsgebet verpflichtet. Frauen beten ggf. in der Moschee abgesondert im Ober- oder Kellergeschoss.

Der familiär-gesellschaftliche Bereich

Im Islam wird sehr geschlechtsspezifisch erzogen. Besonders Söhne entwickeln eine enge emotionale Beziehung zur Mutter, während der Vater zuallererst Respektsperson ist. Während ein Sohn nach seiner Beschneidung (mit etwa vier bis neun Jahren) vom Vater mehr und mehr in die Welt der Männer hineingenommen wird, wird die Tochter traditionell von der Mutter in alle Haushaltspflichten eingewiesen. Die islamische Gesellschaft ist stark von der Geschlechtertrennung geprägt.

Der rechtliche Bereich

Das islamische Ehe- und Familienrecht benachteiligt die Frau im Erb-, Zeugen- und Eherecht: Im Erbrecht, weil Frauen stets die Hälfte von dem Erbteil eines Mannes erben, im Zeugenrecht, weil das Zeugnis einer Frau stets nur die Hälfte des Zeugnisses eines Mannes gilt und im Eherecht, weil der Koran Männern die Vielehe erlaubt, die Scheidung traditionell für ihn viel einfacher ist und im Falle der Scheidung immer dem Mann die Kinder gehören.

Fazit

Zwar empfiehlt die islamische Tradition Ehemännern, ihre Frauen gut zu behandeln. Die Überlieferung „Das Paradies liegt zu Füßen der Mütter“ wird häufig zitiert. Die Gestaltung der Lebensumstände einer Frau liegt jedoch nur begrenzt in ihren eigenen Händen, sondern vor allem in den Händen ihres Vaters, ihres Ehemanns und der Gesellschaft, in der sie lebt: In den Händen des Vaters, weil er wesentlich über Schulausbildung, Bewegungsfreiheit und Heirat entscheidet, in den Händen des Ehemanns, weil er ihr gebieten oder sie sogar strafen kann, wenn er befürchtet, sie könne die Familienehre gefährden, und in den Händen der Gesellschaft, weil sie das Verhalten der Frau ständig kontrolliert. Gerade für muslimische Frauen ist die Botschaft von der Liebe Gottes besonders kostbar.

Orientierung 2003-03; 15.06.2003

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