Muslime, insbesondere Muslima möchten gerne einen Propheten im Traum sehen. Denn das gibt ihnen die Hoffnung, dass ihre guten Werke angenommen werden und sie auf dem Weg zum Paradies sind. Im Islam sind Träume ein Weg der Offenbarung Gottes. Nach den Hadithen von Al-Buchari, die die Aussprüche und das Verhalten Mohammeds beschreiben, soll Mohammed gesagt haben: „Der gute Traum einer guten Person ist ein Teil der 46 Prophetien“ (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 112). Erklärt wird dieses Zitat folgendermaßen: Mohammed soll in den ersten 6 Monaten der Koranoffenbarung ständig Träume gehabt haben und den Rest der 23 Jahre Offenbarungen, während er wach war. 23 Jahre machen 46 Halbjahre aus, und die ersten 6 Monate sind ein Teil dieser 46 Halbjahre. Demnach wird der Traum auf die Stufe der Offenbarung Gottes gestellt. Meistens sollen nur gute Muslime gute Träume haben.

Gute Träume, böse Träume

Insbesondere sind die Träume von Propheten eine Offenbarung Gottes und brauchen nicht ausgelegt zu werden, denn sie sollen sich erfüllen, entsprechend dem, was in ihnen vorhergesagt wurde. Ein Hadith weist die Muslime an: „Wer von euch einen schönen Traum hatte, soll wissen, er ist von Allah. Er soll dafür danken und ihn sofort anderen weitererzählen. Wenn ihr einen bösen Traum habt, ist er vom Teufel und man muss vor ihm fliehen und bei Gott Zuflucht suchen. Man soll ihn auch nicht weitererzählen, dann wird der Traum keinen Schaden zufügen können“ (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 114). Gegen Albträume verschreibt Mohammed in den Hadithen Schutzgebete und befiehlt, dreimal über die linke Schulter zu spucken (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 124). Der islamische Hadithexperte, Imam Ahmed bin Hanbel, soll gesagt haben, der Traum eines Muslim, der von der sichtbaren Welt handelt, sei eine gute Nachricht für den Träumer und die Menschen in seiner Umgebung. Der Traum, der von der unsichtbaren Welt handelt, sei nur für den Träumer eine gute Nachricht.

Mohammed im Traum bringt Heilsgewissheit?

Viele Hadithen schreiben Mohammed folgende Aussage zu: „Wer mich im Traum sieht, wird mich auch wach sehen. Satan kann sich nicht für mich ausgeben“ (z. B. Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 122 ff). Ausleger sagten dazu, Allah habe dem Teufel verboten, sich als Mohammed zu verstellen: Damit kann jeder wissen, der von Mohammed träumt, dass es sich wirklich um Mohammed handelt und er kann sicher sein, ihn im Paradies wiederzusehen. Bestimmte Beschwörungsgebete werden vor dem Einschlafen für die empfohlen, die Mohammed gerne im Traum sehen möchten. Ein Gebet soll 71-mal wiederholt werden, um das Ziel zu erreichen. Wer aber fälschlicherweise behauptet, er habe Mohammed gesehen, erhält im Jenseits eine große Strafe (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 165).

Träume Mohammeds

Mohammed soll durch Träume Entscheidungshilfe gesucht haben. In solchen Fällen reinigte er sich rituell vor dem Schlafengehen. Er betete zwei rituelle Einheiten (rekat), rief Gott um Wegweisung an, danach legte er sich auf die rechte Seite und schlief ein. Nur unter diesen Bedingungen könne man auch heute Gottes Weisung im Traum erfahren. Mohammed soll so z. B. den Ausgang einer Schlacht mit vielen gefallenen Muslimen vorher gewusst haben (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 164). Er soll auch Jesus und den Antichristen im Traum gesehen haben (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 128), was aber keine weiteren Folgen für ihn hatte. Mohammed träumte zweimal von einer jungen Frau, wie er sie aufdeckte. Er fasste das als eine Prophetie auf und heiratete das über 40 Jahre jüngere Mädchen Aischa, die damals 9 Jahre alt war (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 140). Auch seine Nachfolger will Mohammed im Traum gesehen haben, wie sie aus einer Quelle Wasser schöpften: der spätere erste Kalif Abu Bakr soll nur kärglich Wasser geschöpft haben, der spätere zweite Kalif Umar dagegen mit großer Kraft große Mengen (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 146 ff); nach einem anderen Hadith sollen gar alle vier „rechtgeleiteten“ Kalifen erschienen sein (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 170).

Träume von Nachfolgern Mohammeds

Die zeitgenössischen Nachfolger Mohammeds erzählten ihm immer von ihren Träumen, woraufhin er sie ihnen auslegte (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 155). Muslime wussten anfangs nicht, wie sie die Gläubigen zum rituellen Gebet zusammenbringen konnten. Ein Widderhorn wie die Juden oder eine Kirchenglocke wie die Christen wollten sie nicht benutzen. Im Traum wurde einem Anhänger Mohammeds dann der Gebetsruf durch einen Gebetsrufer gezeigt, was von Mohammed aufgegriffen wurde (Abu Dawud, Buch 2, Nr. 498). In einem anderen Fall wurde auf diese Weise die „Nacht der Macht“, die Nacht der Vergebung aller Sünden ermittelt. Man erhalte Vergebung aller Sünden, wenn man diese unbekannte Nacht islamisch „durchbetet“. Sie soll in den letzten 7 bzw. 10 Nächten des Fastenmonats liegen (Sahih Al-Buchari, Band 3, Buch 32, Nr. 232 bzw. Band 2, Buch 21, Nr. 255). Doch viele Hadithe sind auch unter Muslimen umstritten.

Träume im Koran

Von Träumen ist auch im Koran die Rede. Josefs Traum wird in Sure 12 erwähnt. Ein Traum Mohammeds soll den Menschen Angst vor der Hölle machen (Sure 17,60). Im Traum erfährt Abraham, dass er seinen Sohn schlachten soll (Sure 37,102). Allah lässt Mohammed das Heer der Widersacher im Traum nur klein erscheinen, obwohl es in Wirklichkeit überwältigend groß war, damit seine Anhänger den Mut nicht verlieren sollen (Sure 8,43). Ein Traum will vorhersagen, dass die Muslime, die damals nur in Medina lebten, einmal nach Mekka zurückkehren und dort die Wallfahrt vollführen dürfen (Sure 48,27). Im Traum nimmt Gott die Seelen der Menschen zu sich und sendet sie beim Aufwachen wieder auf die Erde (Sure 39,42). Damit erschöpft sich das Thema im Koran.

 Ursachen für die Betonung von Träumen im Islam

Die Hadithen sprechen von drei möglichen Ursachen für Träume: die Reflektionen von Gedanken und Erfahrungen, durch Satan verursachte Albträume und Träume, die von Gott stammen (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 144). Die islamische Traumauslegung ist eine Kunst, die durch eine regelrechte Bücherflut vermittelt wird. Nach muslimischer Auffassung enthalten Träume immer eine Botschaft. Bei Problemen könne man sich diese vor dem Einschlafen bewusst machen, und ein Traum werde daraufhin die Lösung anbieten. Auch ob ein Vorhaben gelingen oder misslingen wird, sollen Träume vorhersagen. Traumauslegung ist im Islam unserer Ansicht nach eine Reaktion auf die Ferne Allahs, die Muslime erleben, und ein Ausdruck ihrer Sehnsucht nach der Nähe Gottes und nach Entscheidungshilfe im Alltag.

 

Orientierung 2009-05; 20.11.2009

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