– oder wer trägt die Krone?

Muslime aus verschiedenen Ländern klopfen an die Türen von Kirchen und Gemeinden in Deutschland und möchten Christen werden. Das ist erst mal sehr erfreulich. Oft stellt sich die Frage: Was ist die Motivation? Welche Beweggründe veranlassen Muslime, um die Taufe zu bitten und Christen zu werden?

Eine Frage der Motivation

Im ersten Moment drängt sich mir die Frage auf: Darf ich das überhaupt fragen? Manche Pastoren und Pfarrer sind geneigt, diese Frage mit einem Nein zu beantworten. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass man keinem Menschen, der Christ werden möchte und die Taufe begehrt, das verweigern kann.

Andere wiederum stimmen dem zwar zu, verbinden das aber mit der Bedingung nach einem soliden Taufunterricht.

Wiederum gibt es andere Personen, die der Meinung sind, dass hier die Reihenfolge nicht stimmt. Zuerst muss ein Muslim, der sich für den christlichen Glauben interessiert, verstehen, worum es dabei geht. Nachdem er zum Glauben gekommen ist, wird erst die Frage der Taufe besprochen und ein spezieller Glaubenskurs, der auch die Frage der Taufe beinhaltet, durchgeführt.

Nach meiner Erfahrung ist es oft noch komplizierter. In unsere Gemeinde kamen Muslime mit sehr unterschiedlichen Motiven. Einige hatten echte Fragen zum christlichen Glauben. Andere wiederum suchten eine deutsche Frau, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Wiederum andere wollten getauft werden, weil sie meinten, dadurch wird man Christ und hat so gute Chancen, mit einer Taufurkunde im christlichen Deutschland einen gesicherten Aufenthalt zu bekommen. Trotz fragwürdiger Motive lernten alle den christlichen Glauben kennen und ein Großteil entschied sich, Jesus nachzufolgen.

Wissen, woran ich glaube

Als Gemeinde Jesu ist es unsere Verantwortung, das Evangelium zu verkündigen und Menschen in die Nachfolge Jesu einzuladen. Das gilt auch für Muslime. Ein entsprechender Glaubenskurs, der auf die speziellen Fragen von Muslimen eingeht, ist dabei eine große Hilfe. Niemand sollte zu einer Entscheidung gedrängt werden. Oft sind die Konsequenzen für Muslime verbunden mit Ablehnung seitens der Familie, oder/und Verfolgung und Bedrohung durch Verwandte. Nach islamischem Recht steht auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe, die jedoch selten auch angewandt wird. Ich halte es für unverantwortlich, Menschen zu taufen, die nicht gründlich den christlichen Glauben kennengelernt haben. Nach einer intensiven Unterweisung braucht es ein Verständnis des Evangeliums und eine freie Entscheidung, Jesus als Retter anzunehmen, um damit Christ zu werden.

Warum werde ich Christ?

Auf diese Fragen geben selbst Mitglieder unserer Kirchen und Gemeinden verschiedene Antworten. Oft hört man die Aussage: „Damit ich in den Himmel und nicht in die Hölle komme.“ Andere verbinden ihre Antworten mit Sündenvergebung, Frieden im Herzen, Gott ist im Christentum ein Gott der Liebe und ähnlichen Aussagen, die natürlich alle irgendwo auch richtig sind. Für mich ist jedoch wesentlich, dass ich als Mensch, der im Ebenbild Gottes geschaffen wurde, wieder in die Gemeinschaft mit Gott zurückfinde, zu der ich eigentlich geschaffen bin. Durch den Sündenfall ist sie zerbrochen; durch den Sühnetod Jesu wieder hergestellt.

Wie lebe ich als Christ?

In vielen Gemeinden, in denen in den letzten zehn Jahren eine große Anzahl ehemaliger Muslime getauft wurden, herrscht Enttäuschung. Es wurde viel Mühe, Liebe und Zeit investiert, um ihnen in praktischen Fragen zu helfen und das Evangelium zu erklären. Nach einer anfänglichen Begeisterung und der Taufe in der Gemeinde wurde nach einiger Zeit der Kontakt dünner und die Teilnahme am Gemeindeleben immer geringer, bis der Kontakt fast  ganz abbrach. Woran liegt das?

Nach meiner Beobachtung ist ein ausschlaggebender Punkt, dass es uns oft nicht gelingt, unser Leben so mit den neuen Gläubigen zu teilen, dass sie sehen und erfahren, wie man Nachfolge Jesu im Alltag lebt. Unser Christsein und unser Gemeindeleben ist sehr stark individualistisch geprägt. Es fällt uns in Europa sehr schwer, andere mit hineinzunehmen.

Dazu kommt noch die unterschiedliche kulturelle und religiöse Prägung. Einige Beispiele:

  • Im Orient ist die Familie alles – der Einzelne zählt wenig.
  • Viele Dinge tut man gemeinsam – individuelle Entscheidungen werden nicht gerne gesehen.
  • Religion übt man gemeinsam und öffentlich aus – nicht im stillen Kämmerlein. • Fast alle religiösen Begriffe im Islam findet man auch im christlichen Glauben – jedoch ist ihre Bedeutung oft grundlegend anders.

Die Frage „Was muss ich tun?“, („Was ist erlaubt?“ = „halal“ und „Was ist verboten?“= „haram“) bestimmt den Alltag eines Muslims.
Als Christen lernen wir, uns geistlich aus der Bibel zu ernähren, zu jeder Zeit mit unserem Vater im Himmel zu reden (Gebet und Anbetung) und Jesus nachzufolgen und ihm immer ähnlicher zu werden.

Was ist das Ziel eines christlichen Lebens?

Im 2. Korintherbrief 4,6 schreibt Paulus: „Ja, wir alle sehen mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn. Wir sehen sie wie in einem Spiegel, und indem wir das Ebenbild des Herrn anschauen, wird unser ganzes Wesen so umgestaltet, dass wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen. Diese Umgestaltung ist das Werk des Herrn; sie ist das Werk seines Geistes.“

Kann es sein, dass wir vergessen haben, dieses Ziel und diese Aufgabe im Leben eines Christen, der mit ganzem Herzen Jesus nachfolgt, an die jungen Gläubigen weiterzugeben und ihnen zu helfen, auf diesem Weg zu gehen?

Wie kann das gelingen? Eine wesentliche Hilfe ist es, sich regelmäßig in der Woche mit neuen Gläubigen in einer kleinen Gruppe zu treffen, um grundlegende Fragen der Nachfolge Jesu zu besprechen und gemeinsam zu beten. Wir können die Gläubigen bitten, auch für unsere Anliegen zu beten. So erleben sie, wie wir in konkreten Fragen Gottes Willen suchen.

Eine kleine englische Broschüre mit dem Titel „Tägliche Nahrung für neue Nachfolger Jesu“ (in Deutsch) ist als Gesprächsgrundlage sehr geeignet. In 31 Tagen werden grundlegende Fragen auf dem Weg der Nachfolge Jesu in einfacher Sprache gelehrt. So kann aus ersten zaghaften Schritten der Nachfolge der Prozess der Umgestaltung des Gläubigen in das Ebenbild Jesu gelingen.

Jesus Christus ist als Mensch für uns in diese Welt gekommen, er ist am Kreuz für unsere Schuld gestorben. Und zu dieser Botschaft gehört unbedingt, dass ER Herr und König im Leben seiner Nachfolger ist. Diese Bedeutung im Alltag soll nicht nur vermittelt, sondern auch praktisch vorgelebt, oder noch besser miteinander gelebt werden.

Gerne empfehlen wir die Broschüre von Life Challenge, die bisher leider nur in Englisch im Internet erhältlich ist.

Daily Food for New Followers of Jesus (PDF)

aus: Orientierung: M #spezial 2-2023